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Das Mikrobiom

Das Mikrobiom wird aufgrund seiner Vielfalt und metabolischen Leistung auch als „neues Organ“ oder "zweites Genom" bezeichnet !

Der Mensch hat mehr Bakterienzellen als eigene Zellen!

Auf die VIELFALT kommt es an!

 

Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit der Trillionen Bakterien, Pilzen und Viren, die unseren Darm besiedeln und einen bisher ungeahnten Einfluss auf unsere Gesundheit haben [1,2]. Sie sind klein aber extrem viele! Auf einem Quadratzentimeter im Darm befinden sich mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde. Es ist das am dichtesten besiedelte Habitat überhaupt. Die Gesamtheit des Mikrobioms bei einem erwachsenen Menschen wiegt immerhin zwischen 1-2 Kilogramm, die wir täglich mit uns herumschleppen. Da kann man sich gut vorstellen, dass die Gemeinschaft einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit ausübt [3],[4]. Um das Mikrobiom ist in den letzten Jahren regelrecht ein Hype erwachsen und die Forschung schreitet schnell voran. Gibt man in der meistfrequentierten Meta-Datenbanken für wissenschaftliche Publikationen – PubMed – den Suchbegriff „gut microbiome“ ein erhält man 28.932 Treffer (Stand: März 2021), wobei die hohe Publikationstätigkeit erst 2015 so richtig losging. Sie erreicht das Maximum in 2019/2020 mit rund 7000 Veröffentlichungen pro Jahr. Aus therapeutischer Sicht stellt das Mikrobiom eine bisher noch wenig genutzte Möglichkeit zur Gesunderhaltung dar. Das Mikrobiom funktioniert am besten, wenn es eine hohe Diversität der Bakteriengemeinschaft aufweist, um die große Bandbreite an Aufgaben zu bewältigen [5]. 

Darmbakterien wirken über den Darm hinaus

Die wunderbare Welt der Metabolite

Die Aufgaben der Bakterien sind es, den Nahrungsbrei im Dickdarm aufzuschließen, eine Barriere für Krankheitserreger zu bilden, die über den Darm in den Körper eindringen könnten, bestimmte Vitamine und Hormone herzustellen, Entwicklung und Reifung des Immunsystems zu fördern, die Zellen der Darmschleimhaut in ihrer Funktion zu unterstützen und uns gesund zu halten. Die riesige Anzahl der Bakterien lebt also in guter Symbiose mit ihrem Wirt. Die Leiden, die mit einer Dysbiose einhergehen können, sind dagegen sehr vielfältig. Mittlerweile werden 90 % ! aller Krankheiten mit dem Mikrobiom bzw. der Darmgesundheit in Verbindung gebracht. Es gibt praktisch kein Organ mehr, das nicht durch das Mikrobiom beeinflusst wird [6]. Viel zu lange wurde der Einfluss der Masse an Bakterien auf die Gesundheit unterschätzt. Selbst der Einfluss auf unsere Psyche findet in einer Weise statt, die man noch vor kurzem für unvorstellbar hielt [7]. Dazu reichen schon mikrobielle Veränderungen durch beispielsweise Übergewicht [8].  Fakt ist, dass das Mikrobiom bei der Steuerung komplexer Vorgänge im Körper involviert ist. Sowohl die körperliche als auch die seelische Gesundheit hängen unter anderem mit der Zusammensetzung der Bakterien zusammen. Das Wohlergehen dieser winzigen Lebewesen ist untrennbar mit unserem eigenen Glück verbunden. 

Die Mikroben produzieren für uns diverse Vitamine und Neurotransmitter, die direkten Einfluss auf die Gesundheit nehmen. Indirekten Einfluss nehmen sie durch ein Hauptprodukt des bakteriellen Stoffwechsels, den kurzkettigen Fettsäuren (engl.: Short Chain Fatty Acids – SCFA). Diese verlassen den Darm und wirken systemisch [9]. Sie werden von fast allen Geweben aufgenommen, einschließlich des Gehirns. Rund ein Drittel des Bedarfs wird über das Mikrobiom gedeckt. Kurzkettige Fettsäuren versorgen die Zellen der Darmschleimhaut mit Energie, sie sind an der Regulation des Appetits und am Energiestoffwechsel beteiligt. Verschiedene Tierstudien und eine kleine Anzahl von Humanstudien belegen, dass eine erhöhte mikrobielle Produktion von kurzkettigen Fettsäuren bei der Vermeidung und Behandlung von Stoffwechselkrankheiten wie z. B. Diabetes mellitus Typ 2 und Adipositas helfen kann [10].

Weil beim mikrobiellen Stoffwechsel Metabolite entstehen, die weitreichende, systemische Effekte ausüben, spricht man deswegen beim Mikrobiom auch schon von einem eigenen „metabolischen Organ“, mit einem Potenzial vergleichbar dem der Leber [11]. Das Mikrobiom beeinflusst durch Metabolite den Zucker- und Fettstoffwechsel und diese Metabolite verändern sich, wenn man Übergewicht hat [12]. Bestimmte Veränderungen korrelieren dabei trotz aller Individualität mit bestimmten Gesundheitszuständen. Ein ungünstig verändertes Mikrobiom hat beispielsweise Einfluss auf die Immunabwehr [13,14],  Herz-Kreislaufsystem [15]. Darmerkrankungen [16], Vitaminproduktion [17], Haut [18], Diabetes [19], Krebs [20], die Psyche [7] oder aber eben Übergewicht mit den zugehörigen Folgeerscheinungen [21] [22] [23]. Stuhltransplantationen von Zwillingen, bei denen der eine übergewichtig ist und der andere ein normales Gewicht hat, wurden keimfreien Mäusen eingesetzt. Die Tiere, die den Stuhl des übergewichtigen Zwillings eingesetzt bekamen, haben an Gewicht zugelegt, während die anderen Mäuse schlank blieben, obwohl sie nur wenig unterschiedlich aßen [24]. Solche und ähnliche spannende Experiment über Stuhltransplantationen [25] unterstreichen das Potenzial, das im Mikrobiom steckt.

Wie kann ich mein Mikrobiom beeinflussen und wie lange dauert das?

Die Möglichkeit mit dem größten Einfluss ist: DIE ERNÄHRUNG

Alles was der Dünndarm nicht verarbeitet, gelangt in den Dickdarm. Dort zersetzen die Bakterien diverse Nahrungsbestandteile, die der Mensch nicht verdauen kann oder nicht verdaut hat. Die Möglichkeiten der Bakterien dazu sind um ein Vielfaches höher, vergleicht man das genetische Potenzial der Bakterien, die zusammen fast 4 Millionen Gene aufweisen zum Menschen, der auf etwa 20.000 Gene kommt [26], [27]. Aus evolutionärer Sicht war das wohl früher mal eine Möglichkeit, mehr und neue Nahrung zu erschließen, wenn das Mikrobiom dem Menschen noch Energie aus eigentlich unverdaulichen Substanzen bereitstellt. In der jetzigen Überflussgesellschaft sind wir allerdings mehr als genug mit Kalorien versorgt. Japaner haben beispielsweise ein Darmbakterium, das in der Lage ist, Meeresalgen zu verdauen, wie sie für Sushi verwendet werden. Europäer und Amerikaner besitzen dieses Bakterium nicht.

Das Mikrobiom stellt einerseits ein sehr flexibles Gebilde dar – binnen Stunden kann sich das Mikrobiom ändern. Bakterien haben eine Generationszeit von 20 min und würden bei idealen Bedingungen exponentielles Wachstum zeigen. Diejenigen also, die beste Futterbedingungen vorfinden, vermehren sich auch am schnellsten: Das Mikrobiom ändert sich praktisch nach jeder Mahlzeit. Weiterhin können schnelle Änderungen an sich ändernde Umweltbedingungen beobachtet werden. Bei Langstreckenläufern hat man nach einem Marathon besonders viele Bakterien im Darm gefunden, die Milchsäure abbauen. Das ist der Stoff, der sich bei langer Belastung in den Muskeln anhäuft und sie letztendlich schwächt.

Dies sind rasche Änderungen auf äußere Umweltbedingungen. Solange man vielfältig isst und alternierend verschiedene Arten mal hoch und mal runtergeregelt werden, ist das kein Problem. Doch wenn ein Mensch zu viel Fertiggerichte, Fleisch oder Zucker zu sich nimmt, kann es dies die Bakteriengemeinschaft auf Dauer in eine Schieflage bringen. Dann nimmt die Vielfalt ab und schädliche Bakterien erhalten die Oberhand, welche z.B. Giftstoffe produzieren oder Entzündungen auslösen. Eine dauerhafte Schieflage braucht je nach Intensität der Einwirkung Monate bis Jahre, um sich permanent einzustellen. Genauso lange braucht es auch, um sich wieder zu regenerieren. Beim Jo-Jo-Effekt dauert es beispielsweise  bis zu 15 Wochen nach einer Diät, bis sich das dysbiotische, übergewichtige Mikrobiom normalisiert hat (siehe Jo-Jo-Effekt). Nach manchen Antibiotika Behandlungen dauert es ebenfalls Monate bis sich der Darm wieder regeneriert hat. Dort kann auch länger zu einem Reizdarmsyndrom kommen und in manchen Fällen arbeitet der Darm sogar dauerhaft nicht mehr so wie zuvor. Dann sind einige Arten einfach verschwunden. Auf die Vielfalt kommt es an und die erreicht man nur durch eine abwechslungsreiche, pflanzenbasierte Kost.

Einzelnachweise

[1] Álvarez, J. et al. Gut Microbes and Health. Gastroenterol Hepatol. (2021), 27: 0210-5705(21)00058-3.

[2] Dave M. et al. The human gut microbiome: current knowledge, challenges, and future directions. Transl Res. (2012),160(4): 246–57.

[3] Carding, S. et al. Dysbiosis of the gut microbiota in disease. Microb. Ecol. Health Dis. (2015), 26: 26191.

[4] Guarner, F. and Malagelada, J.R. Gut flora in health and disease. Lancet (2003), 361: 512–519.

[5] Ley R.E. et al. Ecological and evolutionary forces shaping microbial diversity in the human intestine. Cell (2006),124(4): 837–48.

[6] Ahlawat, S. et al. Gut-organ axis: a microbial outreach and networking. Lett Appl Microbiol. (2020), doi: 10.1111/lam.13333.

[7] Sarkar, A. et al. Psychobiotics and the manipulation of bacteria-gut-brain signals. Trends Neurosci (2016), 39: 763–781.

[8]Torres-Fuentes, C. et al.  The microbiota-gut-brain axis in obesity. Lancet Gastroenterol Hepatol. (2017), 2(10): 747-756.

[9] Mohamed, S.D. and Fischbach, M.A. Small Molecules from the Human Microbiota. Science (2015), 349 (6246): 1254766

[10] Campos-Perez, W. and Martinez-Lopez, E. Effects of short chain fatty acids on metabolic and inflammatory processes in human health. Biochim Biophys Acta Mol Cell Biol Lipids (2021),1866(5):158900.

[11] Guinane, C.M. and Cotter, P.D. Role of the gut microbiota in health and chronic gastrointestinal disease: understanding a hidden metabolic organ. Therap Adv Gastroenterol. (2013), 6(4): 295–308. 

[12] Aoun A. et al. The Influence of the Gut Microbiome on Obesity in Adults and the Role of Probiotics, Prebiotics, and Synbiotics for Weight Loss. Prev Nutr Food Sci. (2020), 25(2): 113–123. 

[13] Hooper, L.V. et al. Interactions between the microbiota and the immune system. Science (2012), 33 6(6086):12 68–73. 

[14] Jarchum, I. and Pamer, E.G. Regulation of innate and adaptive immunity by the commensal microbiota. Curr Opin Immunol. (2011), 23(3): 353–60. 

[15] Witkowski, M. et al. Gut Microbiota and Cardiovascular Disease. Circ Res. (2020),127(4): 553-570.

[16] Van den Houte, K. et al. Recent advances in diagnosis and management of irritable bowel syndrome. Curr Opin Psychiatry. (2020), 33(5): 460-466.

[17] Ramakrishna, B.S. et al. Role of the gut microbiota in human nutrition and metabolism. J Gastroenterol Hepatol. (2013), 28: 9–17.

[18] Sikora, M. et al. Gut Microbiome in Psoriasis: An Updated Review. Pathogens. (2020), 9(6): 463.

[19] Katya Frazier, K. and Leone, V.A. Microbiota Can’t Keep Time in Type 2 Diabetes Cell Host Microbe. (2020), 28(2): 157-159.

[20] Dikeocha, I.J. et al.  Role of probiotics in patients with colorectal cancer: a systematic review protocol of randomised controlled trial studies. BMJ Open. (2020), 10(8): e038128.

[21] Ley, R. E. Obesity and the human microbiome. Curr. Opin. Gastroenterol. (2010), 26: 5–11.

[22] Aoun A. et al. The Influence of the Gut Microbiome on Obesity in Adults and the Role of Probiotics, Prebiotics, and Synbiotics for Weight Loss. Prev Nutr Food Sci. (2020), 25(2): 113–123.

[23] Wicinski, M. et al. Probiotics for the Treatment of Overweight and Obesity in Humans—A Review of Clinical Trials. Microorganisms (2020), 8: 1148.

[24] Ridaura, V.K., et al. Gut microbiota from twins discordant for obesity modulate metabolism in mice. Science (2013), 341: 1241214.

[25] Vrieze, A. et al. Transfer of Intestinal Microbiota from Lean Donors Increases Insulin Sensitivity in Individuals with Metabolic Syndrome. Gastroenterology (2012), 143: 913–916.

[26] Yadav M. et al.  A review of metabolic potential of human gut microbiome in human nutrition. Arch Microbiol (2018), 200(2): 203-217.

[27] Linares, D. M. et al. Beneficial microbes: the pharmacy in the gut. Bioengineered (2016), 7: 11–20.

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