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Das Mikrobiom als Jungbrunnen?

Studien an Über-100-Jährigen untermauern die Rolle des Mikrobioms beim Altern

Das Mikrobiom altert mit.

Gesund altern!

Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit der Trillionen Bakterien, Pilze und Viren, die unseren Darm besiedeln und die einen bisher ungeahnten Einfluss auf unsere Gesundheit haben. Aus therapeutischer Sicht stellt das Mikrobiom eine neue Möglichkeit zur Gesunderhaltung dar. Das Mikrobiom funktioniert am besten, wenn es eine hohe Diversität der Bakteriengemeinschaft aufweist, um die große Bandbreite an Aufgaben zu bewältigen. Zu den Aufgaben der Bakterien zählen z.B. der Aufschluss des Nahrungsbreis im Dickdarm, eine Barriere für Krankheitserreger zu bilden, die über den Darm in den Körper eindringen könnten, bestimmte Vitamine, Hormone und Botenstoffe herzustellen, Entwicklung und Reifung des Immunsystems zu fördern und die Zellen der Darmschleimhaut in ihrer Funktion zu unterstützen – kurzum: uns also insgesamt rundum gesund zu halten. Die riesige Anzahl der Bakterien lebt also in guter Symbiose mit uns. Ein Hauptprodukt des bakteriellen Stoffwechsels sind die kurzkettigen Fettsäuren (engl.: Short Chain Fatty Acids – SCFA), die den Darm verlassen. Sie werden von fast allen Geweben aufgenommen, einschließlich des Gehirns, und entfalten dort ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften. Das Mikrobiom wirkt also über den Darm hinaus.

Das fortschreitende Alter geht nun mit Veränderungen der Darmmikrobiota einher. Diese sind durch einen Verlust der Diversität und vielen nützlichen, kommensalen Mikroben gekennzeichnet. Das Mikrobiom kann dann nicht mehr seinen Aufgaben nachkommen und es entstehen Krankheiten.  Vergleichende Untersuchungen an über-100-jährigen Chinesen und Italienern, die erwiesenermaßen erfolgreich gesund gealtert sind, zeigten trotz aller Unterschiede aufgrund der Genetik, Ernährung und Umweltbedingungen auffällige Gemeinsamkeiten bestimmter Bakterienarten, die möglicherweise für ein gesundes Altern verantwortlich sind (obwohl es noch zu früh ist, von Kausalitäten zu sprechen). Gebrechlichkeit hingegen wird mit abnehmender Vielfalt der Darmmikroben verbunden. Wobei bestimmte negative Arten (z.B. Eubacterium dolichum und Eggerthella lenta) erhöht sind. Zusammen mit sinkenden Arten (z.B. Faecalibacterium prausnitzii) stellen sie ein Muster für die Anfälligkeit von Altersgebrechlichkeit dar [1].

Eine sitzende Lebensweise und ein Entzündungsteufelskreis.

Hervorgerufen wird der Verlust der Diversität durch altersbedingte, intrinsische und extrinsische Faktoren wie Ernährung, Medikamente, eine im Alter vorwiegend sitzende Lebensweise und chronische Erkrankungen. Die Mikrobiomänderungen schädigen das Darm-Gleichgewicht und schaffen eine pro-inflammatorische Umgebung, die typische Alterserscheinungen wie z.B. die Immunseneszenz hervorruft – also einer altersbedingten, eingeschränkten Immunreaktion auf Krankheitserreger. Die Zusammenhänge zwischen dem Altern und auftretenden mikrobiellen Dysbiosen mit den typischen Folgen der Darmdurchlässigkeit, Entzündung und Rückgang der Immunfunktion können als therapeutischer Ansatz dienen, um die Immunalterungsuhr umzukehren und möglicherweise eine insgesamt gute Gesundheit im Alter zu unterstützen [2]. Studien haben ergeben, dass die Vielfalt der Bakterienarten sogar im Alter zunehmen kann [3], bzw. sie eine sinkende Vielfalt durch das Wachsen von gesundheitsfördernden, weniger dominanten Arten, wie (z.B. Akkermansia, Bifidobacterium, Christensenellaceae) ausgleichen. Auch Singh et al. fanden heraus, dass Akkermansia bei gesundem Altern anwesend ist [4]. Weiterhin ist festzustellen, dass bei den 100-Jährigen das Mikrobiom immer noch von den beiden Stämmen Firmicutes und Bacteroidetes dominiert wird. Bei gesunden Erwachsenen stellen die beiden Stämme über 80% aller Bakterienarten. Allerdings ändern sich die Anteile einzelner Firmicutes-Arten. Bestimmte Arten wie Anaerotruncus colihominis und Eubacterium limosum sind dann häufiger zu finden und stellen ein mögliches Muster für Langlebigkeit dar [5]. Das Mikrobiom von älteren Menschen hingegen ist dominiert von Proteobakterien (die z.B. die potenziell pathogenen Escherichia/ Shigella enthalten und bei gesunden Erwachsenen nur 16% der Arten ausmachen) und der Anteil der Firmicutes und Bacteroidetes sinkt. Das kommt daher, dass insbesondere die im Alter vermehrt auftretenden permanenten Entzündungsreaktionen reaktive Sauerstoffradikale produzieren, die strikt anaerob lebende Bakterien, wie die Firmicutes inaktivieren und die Proteobakterien, denen der Sauerstoff nichts ausmacht, begünstigen. Dies ist häufig bei Älteren zu beobachten [6]. Schädliche Keime wie (Enterobacteriaceae, Enterococcaceae, Staphylococcaceae) gedeihen in den entzündlichen Bedingungen, weil sie gegenüber der reaktiven Sauerstoff Radikale (ROS) tolerant sind und fördern dann weiterhin Entzündungsreaktionen [7].

Vorbeugung sollte zwischen 40-50 Jahren beginnen.

Das Mikrobiom ist ein dynamisches Gebilde, das für die einzelnen Lebensphasen permanenten, tiefgreifenden Änderungen unterliegt. Doch manchmal entstehen Fehlanpassungen, die Immundefizite oder Entzündungen auslösen und sich wiederum negativ auf die Darmgemeinschaft auswirken. Ein entzündlicher Teufelskreis trägt maßgeblich zu Alterskrankheiten und Gebrechlichkeit bei [8],[9]. Das Mikrobiom sollte zwischen 30 und 70 relativ stabil bleiben [10]. Die Vorsorge für eine diverses Mikrobiom im Alter sollte aber dennoch nicht erst mit 70 beginnen, sondern schon im mittleren Alter zwischen 40 und 50 Jahren.

Was kann ich tun?

Osteoporose

Stellt sich die Frage, was kann ich tun, um das Mikrobiom bis ins hohe Alter zu behalten? Haupteinflussmöglichkeit auf das Mikrobiom ist die Ernährung. Eine pflanzenbasierte, abwechslungsreiche Ernährung und die Abwesenheit industriell verarbeiteter Nahrung stellen die besten Voraussetzungen für ein gesundes Mikrobiom dar. Jetzt kann man zur Vorbeugung auch gezielt auf das Mikrobiom einwirken. Durch die neuartigen mikriobiomaktiven Pflanzenstoffen können so die Proteobakterien inhibiert werden, die mit Gebrechlichkeit assoziiert sind und gleichzeitig werden viele nützliche Bakterienarten, wie Akkermansia. und Clostridien XIVa [11],  vermehrt zum Wachsen angeregt. Zudem entfalten sie eine hohe antioxidative bzw. antientzündliche Wirkung und können dadurch den Entzündungsteufelskreis durchbrechen. Genauer handelt es sich um die Pflanzenstoffe Naringenin, Naringin und Apigenin aus der Gruppe der Flavanone, die u.a. in Zitrusfrüchten oder Tomaten vorkommen [12].

Zusätzlich wirkt sich mikrobiomaktives Naringenin gegen Osteoporose, eine Alterserscheinung, die bei der immer mehr Knochengewebe abgebaut wird (Knochenschwund). Die Knochen können dadurch leichter brechen. Osteoporose ist bislang nicht heilbar. Umso wichtiger ist ein frühzeitiges Entgegenwirken. Anderenfalls schreitet der Knochenschwund immer weiter fort. Das bedeutet dann zunehmende Schmerzen und gehäufte Knochenbrüche. Frauen haben im Vergleich zu Männern ein nahezu doppelt so hohes Risiko, an Osteoporose zu erkranken. Der Hauptgrund: Nach den Wechseljahren mangelt es ihnen an dem Geschlechtshormon Östrogen, das die Knochen schützt. Außerdem ist das Knochensystem bei Frauen von Natur aus „feiner“ gebaut. Im Alter über 50 erleidet eine von zwei Frauen einen Knochenbruch wegen Osteoporose. Zwischen 50 und 60 Jahren hat mindestens jede sechste bis siebte Frau (über 15 Prozent) Osteoporose. Bei den über 70-Jährigen betrifft es über 45 Prozent, also fast die Hälfte. Bei beiden Geschlechtern kann es zudem infolge anderer Krankheiten zu einer sekundären Osteoporose kommen, auch vorzeitig. Ursächlich infrage kommen zum Beispiel Nieren-, Leber- und Darmerkrankungen sowie Hormon- und Stoffwechselkrankheiten.  In der traditionell chinesischen Medizin wird das Naringenin in der Rhizoma drynariae (Gusuibu) gegen Osteoporose eingesetzt. Naringin und naringenin treten in Wechselwirkung mit dem Estrogen-Rezeptor β und wirken so der verringerten Aktivierung des Estrogen-Rezeptor β während der Menopause entgegen [13]. Auch Rivoira et al. beschreiben den anabolischen Effekt von Naringenin auf Knochen und Zähne [14].

Einzelnachweise

[1] Jackson M., et al. Signatures of early frailty in the gut microbiota. Genome Med. (2016), 8:8. doi: 10.1186/s13073-016-0262-7.

[2] Conway, J. and Duggar, N.A. Ageing of the gut microbiome: potential influences on immune senescence and inflammageing. Ageing Res Rev. (2021),101323. doi: 10.1016/j.arr.2021.101323.

[3] Santoro, A. et al. Gut microbiota changes in the extreme decades of human life: a focus on centenarians. Cell Mol Life Sci. (2018), 75(1): 129–148.

[4] Singh, H. et al. Gastro-intestinal and oral microbiome signatures associated with healthy aging. Geroscience (2019);41(6):907-921. doi: 10.1007/s11357-019-00098-8. 

[5] Biagi E. et al. Through ageing, and beyond: gut microbiota and inflammatory status in seniors and centenarians. PLoS One (2010), 5(5):e10667. doi: 10.1371/journal.pone.0010667.

[6] Candela M., et al. Maintenance of a healthy trajectory of the intestinal microbiome during aging: a dietary approach. Mech Ageing Dev. 2014;136–137:70–75. doi: 10.1016/j.mad.2013.12.004.

[7] Round JL, Mazmanian SK. The gut microbiota shapes intestinal immune responses during health and disease. Nat Rev Immunol. (2009), 9:313–323. doi: 10.1038/nri2515.

[8] Woodmansey EJ. Intestinal bacteria and ageing. J Appl Microbiol. (2007);102: 1178–1186. doi: 10.1111/j.1365-2672.2007.03400.x.

[9] Buford TW. (Dis)Trust your gut: the gut microbiome in age-related inflammation, health, and disease. Microbiome. (2017), 5(1):80. doi: 10.1186/s40168-017-0296-0.

[10] Biagi E. et al. Through ageing, and beyond: gut microbiota and inflammatory status in seniors and centenarians. PLoS One. (2010); 5(5):e10667.

[11] Kong, F. et al. Identification of gut microbiome signatures associated with longevity provides a promising modulation target for healthy aging. Gut Microbes (2019), 10(2): 210–215.

[12] Fidélix, M. et al. Microbiota modulation and effects on metabolic biomarkers by orange juice: a controlled clinical trial J Agric Food Chem. 2020 Nov 11;68(45):12651-12660.  doi:

[13] Guo, D. et al. Double directional adjusting estrogenic effect of naringin from Rhizoma drynariae (Gusuibu). J Ethnopharmacol. (2011), 138(2):451-7. doi: 10.1016/j.jep.2011.09.034.

[14] Rivoira, M. A., et al. New Perspectives in the Pharmacological Potential of Naringin in Medicine. Current Medicinal Chemistry (2020), DOI: 10.2174/0929867327666200604171351

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